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AktuellTermineRückschau58. Osterfahrt Werra / Weser
30.03.2018

Von Spaßruderen und „Kilometerfressern"

Ich wollte ja schon lange an der traditionellen Osterfahrt des Ruderverbandes Berlin teilnehmen. Jedes Mal kam irgendetwas dazwischen. Dieses Jahr hat es endlich geklappt.

Es war die 58. Osterfahrt und wie immer begann sie am Karfreitag im hessischen Eschwege mit der ersten Tagesetappe auf der Werra bis Hannoversch Münden. Ende ist dann am Ostermontag gut 230 Kilometer weiter in Rinteln an der Weser.

Angemeldet waren 28 Ruderer und Ruderinnen aus ganz Deutschland, vom Emsland bis Regensburg und Frankfurt/Oder bis Karlsruhe. Ich war der Einzige, der Karlsruhe auf der Fahrt vertrat. Die meisten Teilnehmer übernachteten unterwegs auf der Luftmatratze im Bootshaus (Luma im BH), ein paar zogen es auch vor, lieber in Pensionen oder Hotels zu übernachten, dazu gehörte auch ich. In den Schlafsälen der Bootshäuser geht es ja meistens nicht so ruhig zu.

Die 25 Teilnehmer, die dann alle am Gründonnerstag nach Eschwege anreisten waren zwischen 23 und 82 Jahre alt. 3 hatten kurzfristig storniert, die Wettervorhersage war wohl nicht jedermanns Sache.

Am Karfreitag, 30.März, ging es dann am frühen Vormittag auf die erste Etappe. Ich teilte mir den gesteuerten Vierer „Wismar“ mit Christian aus Stuttgart, Helmtrud aus Hannover und Helga aus Regensburg. Letztere beiden brachten zusammen schon mal 162 Jahre ins Boot! Der vierte Bootsplatz blieb leer. Die beiden alten Damen erreichen auch in ihrem Alter immer noch eine Jahres-Kilometerleistung von deutlich über 2000. Und warum das so ist, das zeigten sie uns bald. Das Boot lief ganz gut und trotz Lücke konnten wir mit den anderen Booten mit meist deutlich jüngeren Teilnehmern und ohne „Loch“ ganz gut mithalten. Wenn es sein muss, schaffen die beiden Damen die Tagesetappen von durchweg über 60 Kilometern ohne Probleme auch ohne zwischendurch zu steuern! Da kamen einige der anderen Teilnehmer, die größtenteils so etwa zwischen 50 und 60 Jahre sind doch schon eher ins Japsen und sehnten sich nach dem Steuersitz!

Der Ruderstil unterwegs war aber eher gemächlich, die Schlagzahl war meist deutlich unter der 20, den Rest erledigte die Strömung. So die Theorie, am ersten Tag auf der Werra funktionierte das auch noch. An den beiden nächsten Tagen drehte der Wind aber von Südost auf Nordwest und auf der Weser ist die Strömung meist nicht so stark, sodass eine Pause bei Gegenwind dann doch oft Stillstand bedeutete.

Gleich nach dem Start kam schon die erste Bootsschleuse (auf der Werra sind nur Sportboote unterwegs, also Ruderer und Kanuten) und die hat es in sich! Die Strömung vor der Schleuse ist flott, die Schleuse liegt in einer Rechtskurve und auf der Backbordseite in der Kurve ist der Überlauf. Man darf also nicht „halbe Kraft“ rudern, sondern muss in voller Fahrt in die Kurve rein, sonst spülte die Strömung einen in den Überlauf. Die Anlegestelle vor der Schleuse ist allerdings auf Steuerbord (logischerweise, wo soll man denn am Überlauf auch anlegen…). Kurz vor dem Schleusentor ist zwar auch auf der Backbordseite ein kurzes Stück Mauer, da passt aber gerade mal ein Vierer hin. Jedes Boot mit einem unerfahrenen Steuermann wird aber von der Strömung fast zwangsläufig an diese Seite gedrückt. Nur zwei der insgesamt sechs Boote schafften es auf Anhieb, die offizielle Anlegestelle auf Steuerbord anzusteuern.

Wenn man aber auf der Backbordseite liegt, muss man da schnellst möglich weg, bevor das nächste Boot angerauscht kommt. Wenn der Landdienst frühzeitig genug da ist, kann er die per Kurbelrad handbetriebene Schleuse schon öffnen, dann ist das kein Problem, man kann mit Schwung in die Schleuse rein rauschen und dort dann zum Stoppen die Blätter senkrecht stellen. Da wir aber erst ein paar hundert Meter vorher starteten, war der Landdienst zu Fuß auch gerade erst da und musste zu allem Überfluss die Schleuse erst noch fluten. Da ging es vor der Schleuse schon gleich zu Beginn schon mal ganz schön hektisch zu!

Bei uns war dann auch noch dichter Nebel.

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Die zweite Schleuse kommt dann schon ein paar Kilometer später, die ist aber deutlich unkomplizierter und da ist der Landdienst ja auch schon lange vor den Booten da und hat alle Zeit, die Schleuse zu öffnen. Man kann dann direkt mit allen Booten reinfahren.

Danach ist dann erst mal Schluss mit Schleusen, die nächste kommt erst ganz am Ende der Tour, in Hameln. Die Werra hält aber noch zwei Umtragestellen für Wassersportler bereit. Doch davor hatten wir erst mal viele Kilometer Zeit, die idyllische Werralandschaft mit einigen traumhaft gelegenen Burgen zu genießen und in Witzenhausen eine Mittagspause einzulegen. Das letzte Stück vor Witzenhausen durfte ich steuern. Für die Steuerleute stellt der Tour-Organisator wetterfeste (wasserdicht und warm), leuchtend gelbe Jacken zur Verfügung. Eine tolle Sache, vor allem wenn das Wetter nicht so ideal ist! An diesem ersten Tag war es aber nachdem sich der morgentliche Nebel aufgelöst hatte schön sonnig und auch einigermaßen mild.

Nach Witzenhausen kommt dann ein Flutkanal und da hatten wir richtig Strömung! Da ging es mal für einen Kilometer richtig flott vorwärts, fast schon „Wildwasser“!

Gegen Ende der Tour mussten wir dann, wie erwähnt noch zwei Mal auf der Werra umtragen. Die ersten Umtragestelle war noch nicht so spektakulär, wenn man starke Leute im Boot hat auch mühelos machbar. Wir waren mit den schweren Booten aber auf die Mithilfe der anderen angewiesen. Immer zwei Bootsbesatzungen halfen sich gegenseitig, die schweren E-Gigs auf den vorhandenen Bootswagen zu hieven.

Die nächste Umtragestelle kommt dann direkt in Hannoversch Münden und die ist wieder nur für erfahrene Leute zu empfehlen. Man muss schon ein gutes Stück vorher genau wissen, welchen Arm der Werra man nehmen muss und hat dann vor der Umtragestelle mehrere seitliche Überläufe. Die Umtragestelle ist dann unmittelbar neben einer Kraftwerks-Turbine und man muss, wie an der beschriebenen Schleuse das Boot sofort nach Ankunft aus dem Wasser nehmen, bevor das nächste Boot in voller Fahrt mit der Strömung ankommt. Man muss auch hier zügig durch rudern, damit man nicht in den Sog der Überläufe gerät.

Wir hatten da keine Hilfe und mussten das Boot alleine aus dem Wasser heben, bevor des nächste Boot anlegen konnte. Das war für das Boot eine unsanfte Sache. Aber die Kübel halten was aus!

Dann ging es um den Zusammenfluss von Werra und Fulda noch ein Stück die Fulda hoch. Da mussten wir nochmal eine nicht in Betrieb befindliche Schleuse umtragen, was mühselig, aber problemlos war. Einige Bootsbesatzungen ließen die Boote auch gleich an der Umtragestelle liegen und gingen die knapp zwei Kilometer zum Ruderverein lieber zu Fuß. Wir ruderten das Stück noch hoch.

Der Karsamstag, 31.März begann dann mit Regen. Doch pünktlich zum Start hörte der auf. An diesem Tag saß ich zusammen mit Sabine aus Eschwege und Fabian aus Uelzen im gesteuerten Zweier „Emspfeil“. Fabian, mit 23 Jahren der mit Abstand jüngste Teilnehmer hatte das Boot schon am Vortag und legte es auf dem anderen Mündungsarm der Fulda nördlich der Schleuse an. So mussten wir heute nicht umtragen, hatten jedoch Mühe mit der seitlichen Strömung streichend aus dem schmalen Anlegekanal heraus zu kommen. So waren wir vom Start weg schon mal vorletztes Boot. Ich leistete gleich zu Anfang schon mal meinen „Steuerdienst“ ab, was bei dem nasskalten Wetter keine Wohltat war. Die Fahrt auf der Weser ist unspektakulär. Der Fluss ist breit, man hat ständig leichte bis mäßige Strömung, die einen auch vorwärtsbringt, solange der Wind nicht von Norden kommt. Nach 16 Kilometern wurde dann zum ersten Mal gewechselt. Sabine ging ans Steuer, ich nahm auf Schlag Platz, dreht mich zu Fabian um und fragte ihn: „Mit dir kann ich doch eine anständige Schlagzahl rudern, oder? Mir ist kalt!“ Er stimmte freudig zu. Nun war Schluss mit „Teebeutelrudern“ (= Blätter eintauchen, ein oder zwei Mal auf und ab wippen und wieder raus heben). Jetzt wurde der „Bombenleger-Turbo“ eingeschaltet! Wahrscheinlich ist die Schifffahrt auf der Weser heute noch eingestellt, wegen der Strudel, die unsere Blätter hinterließen! Es ist allerdings ohnehin praktisch keine Berufsschifffahrt auf diesem Teil der Weser, wir begegneten auf der gesamten Fahrt nur einem einzigen Ausflugsschiff. Ansonsten war noch eine Rudergruppe aus Köln unterwegs, eine Gruppe Kanuten und das war’s. Halt, stimmt nicht: Als wir in Hameln anlegten, sahen wir eine Gruppe von 12 schwimmenden Trabbis! Kein Aprilscherz – auch wenn es der 1.April war! Beim Näherkommen der „Wasserfahrzeuge“ sahen wir dann allerdings, dass es keine Trabbis waren, sondern Schwimmwagen, die es wohl in den 60er-Jahren (so etwa) mal gab.

Gut, Fabian und ich machten dann mal richtig Dampf und hatten bis zur Mittagspause in Würgassen alle anderen überholt. Sollte nach Ansage des Fahrtenleiters bei Stromkilometer 32 sein, war dann aber bei 47. Sabine war bei unserem Fahrtwind stocksteif gefroren, auf dem Steuersitz.

Nach der Pause übernahm dann widerwillig Fabian das Steuer für die letzten rund 20km bis Höxter.

Dann kam der Sonntag, 1.April. Erst mal die Wettervorhersage checken: Für Höxter war heute Schneefall vorhergesagt. „April-April“ dachte ich, machte mich auf den Fußweg vom Hotel zum Ruderverein und es schneite!

Es schneite auch noch, als ich wieder gleich zu Anfang meine Steuerpflicht erfüllte, schwere, nasse Flocken klatschten mir ins Gesicht. Gut, dass es die warmen Steuermanns-Jacken gab!

Mit im Boot „Warin“ saßen Karsten aus Frankfurt/Oder, Margret aus Diepholz und Helga aus Regensburg. Der vierte Platz war zunächst leer. Nach der Mittagspause kam dann noch Thomas aus Berlin Tegel dazu, Helga steuerte, dann waren wir richtig stark. Das war auch notwendig, denn wie am Vortag blies uns nun ein kräftiger Nordwind entgegen, der die Strömung an der Oberfläche zeitweise umkehrte! Das war wohl der Preis, den wir „bezahlen“ mussten, dafür, dass nun die Sonne schien.

Am Nachmittag trafen wir bei einer kurzen Pause in Bodenwerder nochmal die Kölner Truppe. Und da war auch die Christa Baumhöfner dabei, die ich schon von einer früheren Fahrt kannte. Sie steckt unsere beiden „Altersköniginnen“ nochmal um 5 bzw 7 Jahre in die Tasche, wird in diesem Jahr 87, steht noch gerade wie eine Schwarzwaldtanne und ruderte im letzten Jahr knapp 3200 Kilometer, fast alles auf Wanderfahrten! Bewundernswert!

Trotz dem steifen Gegenwind kamen wir frühzeitig in Hameln an, wo am Abend ein leckeres Abendessen auf uns wartete (im Preis inbegriffen) und obendrein, wie an allen Stationen ein tolles Frühstück am Morgen. „Wolle“, der Fahrtenleiter hatte da schon für alles gesorgt, bzw. die Organisation von Bernd Skories übernommen, der die Tour 22 Jahre lang leitete.

Am letzten Tag, Ostermontag, 2.April hat mich Wolle zum Landdienst eingeteilt. Kann man nichts machen.

Alles in allem lernte ich auf dieser Tour wieder einige nette Ruderer kennen. Ruderer, die ein anderes Rudern praktizieren, als wir in Karlsruhe das kennen. Für sie geht es nicht darum, eine besondere Geschwindigkeits-Leistung zu erbringen, es geht ihnen auch nicht darum (wie oft behauptet wird), möglichst viele Ruderkilometer zu sammeln. Sie rudern schon gar nicht NUR um Kilometer zu sammeln. Sie rudern einfach nur, weil es Spaß macht! Und wenn man jeden Monat ein oder zwei Wanderfahrten macht, kommen halt am Ende des Jahres locker die Kilometer fürs Fahrtenabzeichen heraus und irgendwann in vielen Jahren vielleicht auch mal der „Äquator“ (ist 1x um die Welt, 40.077km). Und das Fahrtenabzeichen ist halt einfach sozusagen die Gold- oder Silbermedaille für uns Wanderruderer.

Natürlich wird bei solchen Gelegenheiten auch immer über solche Kilometer-Freeks wie Christoph Stephan aus Neuss gesprochen. Der hat den Äquator schon 15 Mal umrundet, vor 15 Jahren schon die Entfernung zum Mond, also etwa 380.000 Kilometer geschafft und dafür vor einem Jahr den exklusiv für ihn geschaffenen „Mondpreis“ bekommen. Inzwischen ist er ja fast schon wieder zurück, vom Mond, hat er doch schon über 600.000 Kilometer gerudert, in den letzten 40 Jahren.

Mit einigen Mitstreitern (ja, die findet er tatsächlich!!!) startet er am 1.Januar jeden Jahres auf die erste große Fahrt des Jahres und sie schaffen es, in der ersten Januarwoche die Bedingungen fürs Fahrtenabzeichen, also 800 Kilometer zu erfüllen. Die erforderlichen Wanderfahrtenkilometer ergeben ich dabei ja von selbst.

Die ersten 3000 hat er jedes Jahr Mitte März schon hinter sich, muss er auch, wenn er Ende des Jahres wieder die 15.000 erreichen möchte. Inzwischen ist er pensioniert, als er noch als Mathe-Lehrer im Gymnasium seinen Dienst tat, ruderte er im Sommer vor dem Unterricht schon 40 Kilometer im Einer den Rhein runter! Was die Schüler dann dachten, wenn er (wie erzählt wird in Trainingsklamotten direkt aus dem Boot) zum Unterricht kam, darüber kann man nur spekulieren. Er rudert praktisch nach Fahrplan, alles ist genau berechnet, an welchem Tag von wo nach wo – Mathematiker halt…

Einen Rekord hat er aber noch nicht: Er hat bisher „nur“ 50x das Fahrtenabzeichen erfüllt (Stand 2016). Gerhardt Wünsch aus Berlin hat das schon 62x geschafft! Da muss Christoph noch eine Weile pullen!

Viele Teilnehmer solcher Wanderfahrten kennen ihn persönlich, ich auch. Es wird versichert, dass er wirklich keinen einzigen seiner geruderten Kilometer „bescheißt“. Er rechnet absolut 100% nach den Regeln des DRV ab. Bei anderen „Kilometerfressern“ wird ja teilweise behauptet, dass sie die „gefühlten Kilometer“ eintragen, wenn sie sich 8 Stunden lang im Wind auf einem See treiben lassen.

Wolle, unser Fahrtenleiter rechnete auch nach der Formel des DRV ab, also gesamte Steckenkilometer : Anzahl der Teilnehmer x Anzahl der besetzten Rollsitze. Damit kommt auch der Landdienst zu seinen Kilometern und diejenigen, die dieses Mal vom Landdienst verschont blieben, müssen halt dafür ein paar Kilometer abgeben.

Wir durften am Ende 225 Kilometer eintragen.
 

Ein Dank noch an Wolfgang „Potti“ Pott, der uns die Boote für die Fahrt zur Verfügung stellte, teilweise von seinem Verein in Uelzen, teilweise seine eigenen,

Text & Bilder: Bernd Attner