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Unvergessen

21.03.2017
Helmut Bastian
7.Januar 1926 – 26.Februar 2017

Einundneunzig Jahre waren ihm auf dieser Welt vergönnt, eine lange Lebens- und Zeitgeschichte. Lassen wir diese nochmals an uns vorbei ziehen, um Helmut Bastian einen festen Platz in unserer Erinnerung zu schaffen.

Es war die sogenannte gute alte Zeit:
In Paris tanzt Josefine Baker, die Weimarer Republik wankt, die einen wollen den Kaiser, die anderen die Räterepublik, die SPD weiß wie üblich nicht was sie will, die braune Brühe schwappt allenthalben schon über die Ränder.
Also heftiger Durcheinander, um den wir unsere Altvorderen nicht beneiden sollten. In der verschlafenen badischen Provinz und Residenzhauptstadt war die Welt sicherlich noch mehr in Ordnung. Jeder wusste wo er hingehörte, der Südstädtler in die Südstadt, der Ausländer ins Ausland, der Mühlburger nach Mühlburg.

In diese Welt, in dieses Mühlburg, genauer in die Nuitstraße, wurde Helmut Bastian hineingeboren. Hineingeboren als zweiter Sohn von dreien des Schreinermeisters Bastian und Ehefrau in zwei Zimmer mit 58 qm und Lokus im Zwischenstock, im Winter eingefroren, und das samstägliche Bad in der gemeinsamen Wanne. Es waren gute Zeiten für ihn, liebevolle Eltern, kein Vater der die Kinder verdrosch, immer satt, so selbstverständlich damals nicht. Es waren auch brave Buben, der Helmut und seine Brüder. Keine Streiche wie Frösche aufblasen, Maikäfer den Kopf abbeißen oder den Mädchen in die Haare stecken sind bekannt.

Die Schule, ordentlich mit Erfolg, war wie üblich die Volksschule, mit 14 ging es in die Lehre, mangels besserer Erkenntnis zum Vater als Schreiner. Zwischenzeitlich hat es ja auch schon ordentlich gerumst in der Welt und auch Helmut hat eine Uniform gehabt, allerdings nur die braune vom Arbeitsdienst und wie man so läuten hörte hätte er so gerne die Feldgraue gehabt. Aber nichts desto trotz haben sich die Amis ihn auch in der einfachen Ausfertigung geschnappt und erst wieder 1947 springen lassen.

Gearbeitet hat er mit Bruder Erich beim Vater bis 1954, den Betrieb wollte er nicht weiterführen und war dann bis zum Arbeitsende 1991 als Betriebsschreiner tätig, lange Zeit bis zuletzt bei Michelin, wenn kein Gummi mehr da war hat er vermutlich die Holzräder gemacht. Was nur Wenigen bekannt, er war mit Begeisterung Angler mit Stammlokal Rheinterrassen, es gibt Bilder von ihm mit schnieker Ziegenwildlederjacke, war ja was in den 50igern. Und reiselustig obendrein 1959-60 mit Bruder Erich auf Motorroller gen Italien. Aber 1964 war dann Schluss mit der Lumperei als Edelsingel im Alter von 38 Jahren hat ihn dann die Ehe, sprich seine Lore gepackt und in den geruhsamen Ehehafen geführt. Als dann 1966 noch mit Rüdiger der Stammhalter ankam war alles so wie es sein sollte.

1998 dann der Schicksalsschlag, er musste seine Frau zu Grabe tragen und sein Leben fortan alleine meistern und gestalten. Danach hat es ihn wieder an den Ort der Geburt in die Nuitstraße zurückgezogen, wo er sich lange Jahre eigenständig selbst versorgte bis die Kraft nachließ und ein Umzug ins betreute Wohnen im Dezember 2017 unausweichlich war.

So schnell wäre ein langes Leben erzählt, wenn da nicht noch etwas wäre:
Irgendwann vor vielen Jahre, machte sich Söhnchen Rüdiger, er muss so 12, 13 gewesen sein, auf in den Rheinhafen zum Rudern. Es wurde zum Lebensinhalt seiner Jugendzeit und wie es sich für gute Eltern geziemt wollten sie ihren Buben dabei auch begleiten und waren fortan treue Regattabegleiter. Als der Beruf von Helmut Bastian ruchbar wurde, vielleicht hat er auch einmal seine Hilfe angeboten, ohne zu wissen, zu ahnen was das in einem Verein bedeutet. Jedenfalls seit dieser Zeit war er in der Werkstatt. Hatte sich der damalige Werkstattherrscher, auch Bootswart genannt, unser legendärer Gerald Schumann, noch vorgestellt eine Hilfskraft zu gewinnen war er sprichwörtlich auf dem Holzweg. Von nun an war es aus mit der Pfriemelei, Professionalität war angesagt. Die Auswirkungen waren schnell erkennbar. Man musste nur durch unsere Bootshallen gehen, landauf, landab kein Verein mit einem derart gepflegten Bootsbestand. Man muss es aber auch gesehen haben wie hier auf den 10tel Millimeter gehobelt, gebohrt, gefräst, gefeilt wurde. Und wenn es nicht passte wurde es zweimal gemacht. Lackieren mit dem teuren Pinsel war Chefsache. Unser gesamtes Bootshaus ist Zeugnis seines Wirkens, im Saal die Säulen, draußen die Tische und Stühle, alle Bänke in den Umkleiden, kein Schloss das nicht von ihm repariert wurde, kein Stück Holz im Bootshaus, das nicht durch seine Hände ging. Nie aufbrausend, nie laut, so kannten ihn die meisten. War die Werkstatttür jedoch zu und er ärgerte sich, das konnte er sehr, weil wieder irgendwer irgendwas einfach hingeschmissen hatte, Beschädigungen nicht gemeldet, Werkzeug verschludert und noch vieles mehr, da legte er den Kopf schief und fing an zu brutteln und konnte sich so richtig echauffieren. Auf einigen Ruderböcken sind heute noch die von ihm angebrachten Initialen ersichtlich „HBB 2009“ übersetzt – Hobelbankbruttler 2009 – so hat er sich selbstironisch gesehen.

Allerdings hat der Ruderverein nicht nur genommen, auch gegeben. Die Freundschaft und Anerkennung von vielen, insbesondere jungen Menschen, die Gemeinschaft, die Wanderfahrten mit allem was dazu gehört, also Wein und Gesang, die Donnerstagsrunde. Das hat er von ganzem Herzen genossen. Und die berühmten, sagenhaften Bastianhaken, für die Unkundigen unter uns, wer konnte schon ein Boot im vollen Lauf um die Ecke steuern, Helmut Bastian konnte bzw. versuchte es.
Seine Persönlichkeit wird uns fehlen, hinterlässt eine Lücke. Wir sollten die Geschichten und Erzählungen von und über ihn wachhalten, dann ist er zumindest in unseren Erinnerungen noch eine Weile unter uns.

Persönliches:

Es gab aber auch noch einen ganz anderen Helmut Bastian, den Belesenen und gebildeten Menschen, der sich weit über das Tagesgeschehen hinaus und dem was man ihm in der Schule beigebracht hat für Geschichte, Kunst, Kultur und Politik interessierte, darüber las und Bescheid wusste, der Mommsens Geschichte über das röm. Reich gelesen und verstanden hat, für den „das heilige römische Reich deutscher Nation“ kein Fremdwort war. Dieser Helmut ist mir in vielen gemeinsamen Werkstattstunden und Gesprächen weit ab von Holz, Leim und Epoxidharz ans Herz gewachsen und zum Freund geworden.

Seit er vor drei Jahren den Schreinerschurz an den Haken hing und den Hobel auf die Seite stellte ist es ruhig und einsam in der Werkstatt geworden. Ich vermisse ihn sehr.

Heinrich Hort